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Der kem'sche Boronglaube
"[...] 'So sei es denn gefügt', sprach die hagere, hochgewachsene Boroni aus dem Süden. Caja Sá'kurat,
Unterhändlerin der Hohepriesterin des Boronkultes im südlichen Königinnenreich der Kemi, erhob sich, schritt gemessenen
Schrittes durch die düstere, kühle Ratshalle auf den Thron Seiner Erhabenheit, des Raben von Punin zu und ergriff dessen
ausgestreckte Hand.
'So sei es denn gefügt', erwiderte der alte Mann, drückte die Hand der Kemi fest und verkündete mit lauter Stimme:
'So wollen Wir nun hier und an dieser Stelle Unserer Schwester die Buhle überreichen mit der Wir Unseren Brüdern und Schwestern
im südlichen Nisutreiche der Kemi Anerkennung und Segen aussprechen. Wir anerkennen
Ihren Weg, den Herrn zu ehren und achten ihn
als gerecht und weise, wiewohl sie denselben Respekt auch der Lehre zu Punin entgegenbringen. So lasst uns nun das neugeknüpfte
Band der Einheit durch ein Gebet zu Ihm segnen.'
Noch am selben Abend verließ Schwester Caja an der Spitze ihrer Delegation das sommerliche Almada um wieder zurück nach Kemi zu
reisen und dort von der Wiedergeburt eines alten Kultes zu berichten [...]"
(Aus der Schrift "von der Wiedergeburt eines uralten Boron-Kultes - fünfjährige Verhandlungen in Punin erfolgreich
beschlossen" vom 1.FBO. 23 S.G.)
Schon seit Menschengedenken verehrte das südliche Dschungelvolk der Kemi einen Totengott als den Fürsten und Vater der anderen
Gottheiten. Viele Eroberer hatten versucht dem Volk einen anderen Glauben aufzuzwingen, doch sie alle waren kläglich an der uralten
Tradition der Kemi gescheitert, die - oftmals im Verborgenen und unter ständiger Bedrohung aufrechterhalten - das Volk niemals
vergessen ließ, wer es auch in dunkelsten Zeiten behütete und führte. So war es nicht verwunderlich, dass mit der Krönung
Nisut Peri III. der Boron-Kult zur Staatsreligion des kleinen Reichs der Königin erhoben wurde. Doch worin liegen die Besonderheiten
dieses ältesten und zugleich jüngsten Kultes des Boron? Was hebt die Religion der Kemi so vom Puniner Ritus und den als Ketzer
und Häretiker verachteten Al’Anfanern ab?
Wie in Al’Anfa auch nimmt Boron, der Herr, in Kemi die unangefochtene Stellung des Götterfürsten ein, was zu früheren
Zeiten die freundschaftlichen Bindungen zum Horasiat um ein Haar verhindert hätte. Lediglich die Einschränkung der Kemi, dass
die Götterherrschaft des Herrn Praios über die "nördlichen Lande" anerkennenswert sei, verhinderte damals ein Scheitern
der Friedensverhandlungen.
Im Unterschied zu den prunkvollen al’anfanischen Geweihten legen die seit Urzeiten harte Entbehrungen und Mangel gewöhnten kem’schen
Boronis erhöhten Wert auf "borongefällige Askese". So ist ihnen jeglicher persönlicher Besitz bis auf Kutte, Pferd und
Waffe versagt, da dem Herrn "Bescheidenheit und Demut" gefällig sei. Ein beredtes Beispiel ist hierfür auch die Titulatur der
kem’schen Hohepriesterin Boronya Ni Nedjhit: Obschon Führerin eines eigenständigen Kultes ist sie lediglich mit 'Euer Eminenz'
anzusprechen.
Angehörige des kem’schen Kultes nehmen das Schweigegebot nur wenig Ernst, denn wie der Hl. Laguan vor nahezu zweitausend
Götterläufen verkündete: "Nur Seiner Worte Weisheit mag die Blinden zu Ihm führen. So tragt
diese Worte hinaus in alle Länder!" Der kem’schen Kirche ist demnach die Missionierung der ungläubigen Waldmenschen und
Kolonisten ein wichtiges Anliegen, und selbst die unwirtlichsten und abgelegensten Dschungelgebiete schrecken sie nicht ab.
Selbsttötungen zu Ehren des Herrn - wie in Al’Anfa üblich - lehnen die Geweihten Kemis als "übelste Häresie"
entschieden ab, denn nur "dem Herrn sei es anheim, zu entscheiden, wann ein Mensch sich einzufinden hat vor Rethon."
Und so suchen viele fromme Kemi - insbesondere die Angehörigen der überlebenden uralten Sippen - die Nähe zum Paradies des
Herrn durch den Dienst im die kem’sche Kirche dominierenden ‘Orden der Wächterinnen und Wächter des Heiligen Raben zur Insel
Laguana’, eines bewaffneten Boronsordens, der sich neben dem Kampf gegen Siebtsphärler, Ketzer und Namenlosendiener auch zahlreicher
karitativer Aufgaben widmet.